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Jahrestreffen

Jahrestreffen des ANKK 2024 in Wien

24. bis 26. Oktober 2024

in Kooperation mit dem Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien

und dem Kunsthistorischen Museum Wien

Visualität und Virtualität:
(Un)Sichtbarkeiten niederländischer Kunst beschreiben

Call for Papers

Vor genau 40 Jahren entbrannte mit dem Erscheinen von Svetlana Alpers‘ Buch The Art of Describing (1983) ein Methodenstreit, dessen Debatten die Kunstwissenschaft nicht nur mit Blick auf die Niederlande nachdrücklich herausgefordert, geprägt und belebt haben. Alpers‘ Kritik richtete sich damals gegen die vorherrschende Ikonographie, die sich auf die Autorität historischer Textquellen berief und die Bedeutung niederländischer Werke vornehmlich hinter ihrem realistischen Erscheinungsbild auszumachen suchte. Die amerikanische Kunsthistorikerin dagegen rief dazu auf, die Bedeutung der Bilder in der Gestaltung der Bildoberfläche zu suchen, sprich »in dem […], was das Auge aufnehmen kann – so trügerisch dies auch sein mag.« Für sie wurzelte die Eigenart der holländischen Malerei in deren Affinität für das Sichtbare und in der Sensibilität, mit der sie visuelle Erfahrung zu beschreiben vermag.

Indem Alpers die Gemäldeproduktion des 17. Jahrhunderts als Teil einer spezifisch holländischen Sehkultur verstand, in der Bilder einen aktiven, eigenständigen Beitrag u.a. zu Wissenschaft und Erkenntnis leisteten, sollte sie der Forschung neue interdisziplinäre Wege und Perspektiven eröffnen. 40 Jahre später haben Kunstgeschichte, Bildwissenschaft und Visual Culture Studies nicht nur die von Alpers ausgemachte Lücke gefüllt, sondern ihre damalige Position kritisiert, historisch verortet und zum Ausgang neuer Fragen gemacht: Geschärft ist inzwischen unser Verständnis und Bewusstsein dafür, dass das Sehen und jede Art des Zu-Sehen-Gebens – bewusst oder unbewusst – von kulturell generierten Vorstellungen und strukturellen Machtverhältnissen mitgeprägt sind. So ist auf Alpers‘ Kritik an der Dominanz der Ikonographie auch eine Kritik an den blinden Flecken gefolgt, die durch die Akzentuierung des empirischen Blicks in The Art of Describing entstanden. Programmatisch zugespitzt sah Alpers mit ihrer Betonung visueller Wissensproduktion und Dokumentation (nicht zuletzt der Kartographie) die Kunst zu sehr im Dienst einer »Objektivität«. Die Konstruiertheit und Historizität der kulturellen Vorgaben hingegen gerieten bei dieser Fokussierung leicht aus dem Blick.

Anders formuliert: Bilder, Objekte und Architekturen sind Medien der Sichtbarmachung und Einflussnahme wie des Reflektierens und Handelns. Gleichzeitig sind visuelle Artefakte aber auch Mittel des Kaschierens, Ausblendens und Übersehens, die Welten mit eigenen Gesetzlichkeiten erzeugen. Mindestens so wichtig wie das, was Kunstwerke visualisieren, ist daher das, was sie nicht zeigen und virtuell erfahrbar machen. Gerade indem Bilder sich eines vermeintlich beschreibenden Modus und größtmöglicher Augenscheinlichkeit bedienen, versuchen sie uns von der Natürlichkeit jener impliziten Vorstellungen und nicht selten politischen Annahmen zu überzeugen, in die sie eingebettet sind. In diesem Sinne sollen daher im Mittelpunkt des ANKK-Jahrestreffens 2024 die (Un)Sichtbarkeiten niederländischer Kunst stehen.

Wir freuen uns über Beiträge, welche 40 Jahre nach dem Erscheinen von Svetlana Alpers‘ The Art of Describing die visuellen Kulturen der Niederlande und benachbarter Gebiete einer kritischen Revision unterziehen. Willkommen sind ebenso methodologische und historiographische Beiträge wie Untersuchungen, die vor dem Hintergrund rezenter Forschungsdiskussionen Fragen der Visualität und Virtualität zwischen Mittelalter und Gegenwart neu fokalisieren. Denkbar sind folgende und andere Aspekte:

  • Gesellschaftliche (Un)Sichtbarkeiten: Welche Rolle spielten Bilder, Objekte und Architekturen in der Sichtbarmachung und Hervorbringung von Macht? Und welche in Prozessen des Marginalisierens, Ausblendens und Vergessens? Mittels welcher visuellen Strategien wurde unsichtbaren Grenzen und impliziten Hierarchien normative Geltung verschafft?
  • Technische (Un)Sichtbarkeiten: Mittels welcher technischen Verfahren wurden die Grenzen des Sichtbaren verschoben? Welche künstlerischen Techniken eigneten sich, um visuelle Erfahrung und die Fallstricke virtueller Welten thematisch zu machen? Welche (impliziten) Vorannahmen und -urteile konnten mit einzelnen Techniken einhergehen?
  • Materielle (Un)Sichtbarkeiten: Welche Funktionen übernahmen die spezifischen Materialien von Kunstwerken in deren Hervorbringung von Virtualität? Welche alternativen Beschreibungen eröffneten materielle und andere nicht-visuelle Eigenschaften von Kunstwerken? Und in welchen Konstellationen wurden diese anderen Zugänge durch die Normativität des Visuellen überblendet?
  • Wissensgeschichtliche (Un)Sichtbarkeiten: Mittels welcher visuellen und anderweitigen Strategien wurde Bildern, Objekten und Räumen im Kontext der Wissensvermittlung Evidenz verliehen? Wie problematisierten Kunstwerke die Grenzen (visuell gewonnenen) Wissens? Welche impliziten Annahmen konnten Medien visueller Objektivierung eingeschrieben sein?
  • Ökologische (Un)Sichtbarkeiten: Wie beförderten künstlerische Beschreibungen des Sichtbaren (vor)moderne Formen ökologischer Sensibilität? Welche alternativen Ökologien wurden von Landschafts-, Pflanzen- und Tierbildern überschrieben, tradiert oder entworfen? Und in welchem Maße haben visuelle Medien nicht nur am Wissensfortschritt partizipiert, sondern auch die Dichotomie von Kultur und Natur befördert und damit den Ökokrisen unserer Gegenwart Vorschub geleistet?
  • Kunsthistoriographische Un(Sichtbarkeiten): Welche blinden Flecken lassen sich aus kunsthistoriographischer Perspektive für die Auseinandersetzung mit niederländischer Kunst konstatieren? Welche (Un)Sichtbarkeiten haben die kunstgeschichtliche Forschung zu Visualität und Virtualität geprägt?

Call for Workshops

Im Rahmen des Jahrestreffens sollen parallele Workshops die Auseinandersetzung mit den reichen Beständen niederländischer Kunst in den Wiener Sammlungen ermöglichen. Wir bitten um Vorschläge zu Workshops, die in Zusammenhang mit dem Tagungsthema stehen können, aber nicht müssen. Mögliche Veranstaltungsorte für Workshops wären die Albertina (Studiensaal), die Kunstsammlungen der Akademie der bildenden Künste (Gemäldegalerie, Kupferstichkabinett), das Kunsthistorische Museum Wien (Dauerausstellung Gemäldegalerie und Kunstkammer) oder die Österreichische Nationalbibliothek (Sammlung Handschriften und Alte Drucke). Auch Vorschläge zu Workshops an anderen als den genannten Orten sind willkommen! Ebenso sind Workshops in Seminarräumen des Instituts für Kunstgeschichte der Universität Wien denkbar. Die Realisierbarkeit der Vorschläge wird in Rücksprache mit den Sammlungsverantwortlichen nach Einreichung bzw. bei Auswahl vom Organisations-Team geprüft. Wir bitten daher um möglichst konkrete Angaben zu Sammlungsobjekten, die im Mittelpunkt der Workshops stehen sollen, benötigtem technischen Equipment, gewünschter Gruppengröße etc.

Call for Posters

Im Rahmen des Jahrestreffens besteht die Möglichkeit einer Postersektion. Dieses zusätzliche Präsentationsformat soll Wissenschaftler:innen in der Qualifikationsphase (Master- oder Doktoratsstudium) ebenso wie etablierten Forscher:innen Raum für Information und Austausch über aktuell laufende oder kürzlich abgeschlossene Forschungsprojekte bieten. Ein Bezug zum Tagungsthema ist erwünscht, aber nicht erforderlich.

 

Das Jahrestreffen ist in Präsenz geplant und wird vom 24. bis 26. Oktober 2024 in Kooperation mit dem Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien (Ko-Organisatorin: Sandra Hindriks) und dem Kunsthistorischen Museum Wien stattfinden, wo zeitgleich die Ausstellung Rembrandt – Hoogstraten: Farbe und Illusion zu sehen sein wird. Für eine Teilnahme ist eine ANKK-Mitgliedschaft oder eine Tagungsgebühr in Höhe von 40 EUR obligatorisch (bzw. von ermäßigt 20 EUR für Personen mit geringem Einkommen z.B. aufgrund von Promotionsstudium, Volontariat o.ä.). Reisekosten können nicht erstattet werden. Interessierte bitten wir um kurze CVs sowie deutsche oder englische Abstracts von nicht mehr als 500 Wörtern für einen 20-30-minütigen Vortrag, einen maximal 90-minütigen Workshop oder ein Poster.

Wir freuen uns über Einsendungen bis zum 29. Februar 2024 an folgende Adresse: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

 

In Kooperation mit:

Uni Logo 2016   KHM Logo

 

Call for Papers, Workshops, Posters: English Version

Visuality and Virtuality:
Describing (In)Visibilities of Netherlandish Art

Exactly 40 years ago, the publication of Svetlana Alpers's book The Art of Describing (1983) sparked a methodological dispute that challenged, shaped and revitalized scholarship in Netherlandish art and beyond. At the time, Alpers's criticism was directed against the prevailing iconography, which relied on the authority of historical text sources and sought to discern the significance of Netherlandish works primarily behind their realistic appearance. The American art historian, by contrast, called for the meaning of the pictures to be sought in the design of the picture surface, i.e. »in what the eye can take in—however deceptive that might be«. For her, the uniqueness of Dutch painting was rooted in its affinity for the visible and the sensitivity with which it is able to describe visual experience.

Alpers has opened up new interdisciplinary paths and perspectives for research by understanding seventeenth-century painting production as part of a specifically Dutch visual culture in which images made an active, independent contribution to science and knowledge, among other things. 40 years later, art history, Bildwissenschaft and visual culture studies have not only filled the gap identified by Alpers, but have also criticized her position, located it historically and made it the starting point for new questions: Our understanding and awareness are now sharpened for the fact that seeing as well as any kind of giving-to-see are shaped—consciously or unconsciously—by culturally generated ideas and political conditions. Thus, Alpers's critique of the dominance of iconography has itself been followed by a critique of the blind spots created by the accentuation of the empirical gaze in The Art of Describing. In programmatic terms, Alpers placed too much emphasis on the visual production of knowledge and documentation (not least of cartography) and therefore contextualized art too strongly in the service of »objectivity«. This focus, meanwhile, made it easy to lose sight of the constructedness and historicity of cultural parameters.

In other words: Images, objects, buildings, parks etc. are means of visualization and influence as well as reflection and action. At the same time, visual artifacts are also powerful means of concealing, hiding and overlooking—creating worlds with their own laws. Equally important as to what works of art visualize is therefore what they do not show and do not make virtually accessible. Precisely because images make use of a supposedly descriptive mode and the greatest possible degree of visual evidence, they attempt to convince us of the naturalness of the implicit ideas and often political assumptions in which they are embedded. For this reason, the ANKK Annual Meeting 2024 aims to focus on the (in)visibilities of Netherlandish art. 

We welcome contributions that critically review the visual cultures of the Netherlands and neighboring areas 40 years after the publication of Svetlana Alpers's The Art of Describing. Methodological and historiographical contributions are equally welcome as are studies that refocus questions of visuality and virtuality between the Middle Ages and the present. The following and other questions could be addressed, but are not limited to: 

  • Political (in)visibilities: What role did images, objects and architecture play in the visualization and production of power? And what role did they play in processes of marginalization, suppression and forgetting? What visual strategies were used to give normative weight to invisible boundaries and implicit hierarchies?
  • Technical (in)visibilities: Which technical processes were used to shift the boundaries of the visible? Which artistic techniques were suitable for thematizing visual experience and the pitfalls of virtual worlds? What (implicit) assumptions and prejudices could be associated with individual techniques?
  • Material (in)visibilities: What functions did the specific materials of artworks serve in their creation of virtuality? What alternative descriptions did material and other non-visual properties of artworks provide? And in which constellations were these alternatives overlapped by the normativity of the visual?
  • Epistemic (in)visibilities: What visual and other strategies were used to lend evidence to images, objects, and spaces? What role did visuality play in processes of knowledge transfer? How did works of art problematize the limits of (visually acquired) knowledge? And what assumptions could be implicitly inscribed in media of visual objectification?
  • Ecological (in)visibilities: How did artistic descriptions of the visible promote (pre-)modern forms of ecological sensitivity? Which alternative ecologies have been overwritten, perpetuated or designed by depictions of landscapes, plants and animals? And to what extent have visual media not only participated in the progress of knowledge, but also promoted the dichotomy of culture and nature and thus contributed to the ecological crises of our time?
  • Art-historiographical (in)visibilities: Which blind spots can be identified in the examination of Dutch and Flemish art from an art historiographical perspective? Which (in)visibilities have shaped art historical research on visuality and virtuality?

Call for Workshops 

As part of the annual meeting, parallel workshops will provide an opportunity to examine the rich holdings of Netherlandish art in the Viennese collections. We ask for suggestions for workshops that may or may not be related to the conference theme. Possible venues for workshops would be the Albertina (Studiensaal), the Kunstsammlungen der Akademie der bildenden Künste (Gemäldegalerie, Kupferstichkabinett), the Kunsthistorisches Museum Wien (permanent exhibition Gemäldegalerie and Kunstkammer) or the Österreichische Nationalbibliothek (Sammlung Handschriften und Alte Drucke). Suggestions for workshops at locations other than those mentioned are also welcome! The feasibility of the proposals will be checked by the organization team in consultation with the curators of the collections after submission or upon selection. We therefore ask for as specific information as possible about the collection objects that are intended to be the focus of the workshops, the technical equipment required, the intended group size, etc. 

Call for Posters

The annual meeting will also feature a poster section. This additional format is intended to provide Master and PhD students, early career researchers and established researchers with a space for information and exchange on current or recently completed research projects. A focus on the conference topic is welcomed, but not required.  

The annual meeting will take place from October 24 to 26, 2024 in cooperation with the Department of Art History of the University of Vienna (co-organizer Sandra Hindriks) and the Kunsthistorisches Museum Wien, where the exhibition Rembrandt—Hoogstraten: Colour and Illusion will be on display at the same time. Participation requires ANKK membership or a conference fee of EUR 40 (or a reduced fee of EUR 20 for people with a low income due to doctoral studies, voluntary work or similar). Travel expenses cannot be refunded. Please submit short CVs and abstracts of no more than 500 words for a 20–30–minute presentation, a workshop of no more than 90 minutes or a poster.   

We look forward to receiving submissions by February 29, 2024 to the following address: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. 

Samuel van Hoogstraten, Alter Mann im Fenster, 1653. Kunsthistorisches Museum Wien, Gemäldegalerie, © KHM-Museumsverband